Am 8. September nachts fand das seit 120 Jahren staerkste Erdbeben in Marokko statt. Betroffen war vor allem die Provinz Al Haouz. Das Epizentrum lag in meiner Naehe, manche Nachbarorte sind fast vollstaendig zerstoert.
Ausser ihren Verwandten (es gab 3000 Tote) verloren viele Berber auch ihre Haeuser, ihre Tiere, ihre Existenz.
Es wurde sehr schnell geholfen. So entstanden Zeltstaedte der Feuerwehr, das Militaer errichtete hier in Asni ein Krankenhaus, Viele Menschen aus Marrakech halfen mit Essen, Kleidung und Decken.
Koenig Mohammed VI. soll sehr betroffen gewesen sein und geweint haben. Er sah sich das Desaster aus dem Hubschrauber an. Schnell kamen Minister, die grosse Hilfsprogramme ankuendigten. So soll jeder Betroffene ein Jahr lang monatlich 2500 Dirham (250 €) erhalten.
Doch auch in Marokko mahlen die Muehlen der Buerokratie teilweise sehr langsam. Inzwischen gibt es erste Auszahlungen. Aber was sollen die armen alten Berber machen, die oft weder lesen noch schreiben koennen und nun mit Formularen ueberhaeuft werden, mit denen sie zu unterschiedlichsten Behoerden muessen?
Die Katastrophe ist bald 4 Monate her. Die Naechte sind frostig, die Tage staubig und trocken. Etliche Haeuser werden jetzt endgueltig abgerissen. Dabei wurde trotz mehrerer Architekten, die Hilfe und Gutachten anboten, noch lange nicht jedes zerstoerte Haus erfasst.
Schnell werden Katastrophen von neuen ueberlagert und so vergessen. Wir bekamen gluecklicherweise Spenden, die uns ueber diese schwierigen Monate hinweg halfen. Dafuer sind wir sehr dankbar.
Ich wurde von der ARD interviewt, aber das Interview wurde nicht gesendet. Ein Bekannter, der Redakteur ist, interviewte Betroffene in den Doerfern, aber seine Artikel wurden nicht gedruckt. Markus Lanz unterhielt sich mit uns ueber Skype im Zelt, doch da seine Jahres-Zusammenfassung zu lang wurde, kuerzte man den Teil samt den anderen Katastrophen heraus.
Und nun? Man muss sich gegen den Abriss der Truemmer wehren, da sonst weiterhin behauptet wird, man sei gar nicht betroffen. Nach welchen Kriterien wird geholfen? Muessen nach zahlreichen Beschwerden erst Gouverneure und Burgermeister entlassen und durch zuverlaessigere Beamte ersetzt werden?
Nicht nur Korruption, sondern auch Unterschlagung ist in Marokko immer noch weit verbreitet. Man moechte sagen: „Wenn das der Koenig wuesste!“ Mohammed VI. ist ein im Land beliebter Koenig. Wenige Tage, bevor er in eine Stadt reist, kuendigt er das an, wohl wissend, dass die dortigen Beamten noch schnell das Dringendste dessen, was schon lange geleistet werden sollte, zu erledigen versuchen.
Es draengt, dass der Koenig die Erdbeben-Provinz besucht. Die Betroffenen haben als gute Muslime viel Geduld bewiesen, sind aber nun am Ende ihrer Kraft.